Immer noch unter Motor ging es nun in unsere erste Nacht, was gleichbedeutend mit einem 3 Stunden Wachrhythmus war. Während Thomas sich in der Vorkoje wieder der Achterbahnfahrt (hoch, runter, links, rechts, und das freiwillig) erfreuen konnte, kuschelte sich Patrizia in der Achterkoje in ihr Duvet. Allerdings täuscht der erste Eindruck was die Gemütlichkeit anbelangt. Dort waren die Bootsbewegungen wohl geringer, dafür liegt der 50 PS Diesel etwa 50 cm von ihrem Kopf entfernt und Wärmeabstrahlung und Lärm gestalteten die Schlafübung nicht gerade angenehm. Man muss also schon ganz schön müde sein, um diesen Krach ignorieren zu können. Kein Wunder also dass am nächsten Morgen die Crew leicht ermattet den alltäglichen Tätigkeiten an Bord nachging. Unsere Körper mussten sich erst noch an den 3 Stunden Rhythmus gewöhnen. Der Ruf des Magens nach dem Frühstück um 4 Uhr morgens ist auch ungewohnt. Erfahrungsgemäss dauert dieser Prozess etwa zwei bis drei Tage, danach hat sich der Organismus so langsam auf die neue Situation eingestellt.
Leicht verändert hatte sich auch das Wetter, denn wir konnten es plötzlich und fast unerwartet wieder mit Segeln versuchen. Das Tageshighlight bildete am zweiten Fahrtag die Sichtung eines Frachtschiffes. Als negativen Punkt gab es erneut die Wind- und Wetterbedingungen im Logbuch zu erwähnen. Zu allem Übel fing es in der Nacht noch an zu regnen, und heftige Schauer brachten uns Wind in Böen von Bft.5-6. Am folgenden Morgen hatte es sich langsam ausgeregnet und gegen Mittag schaute auch die Sonne bereits wieder vorbei um zu sehen, ob es den beiden Atlantikseglern gut ging. Da sich Dschinni und Crew mittlerweile getrocknet hatten und auch all die nassgewordenen Kleidungsstücke wieder verstaut werden konnten, ging alles wieder viel besser. Das Einzige was uns allerdings immer noch fehlte, war der versprochene angenehme Wind.
Wenige Tage vor unserem Start in Santa Maria war Vollmond. In der Zwischenzeit sind bereits 10 Tage verstrichen und der Mond lässt sich immer mehr Zeit um am Himmel zu erscheinen. Dies hat zur Folge, dass es in der ersten Hälfte der Nacht zappenduster ist. Dafür sieht man die Sterne, die Milchstrasse und auch die unzähligen Sternschnuppen prächtig am Himmel. Und man sieht in welche Richtung man segelt/motort sofern der Mond sich dann doch noch schnell am Himmel zeigt. Die Sternenpracht ist dann allerdings nur noch halb so schön.
Patrizia erfreut sich nachts auch immer am Plankton das rund um den Bug und im Kielwasser grünlich leuchtet. Thomas fallen dabei eher früher gelesene Schauergeschichten ein. Denn die Nächte sind einsam. Er hat nicht Unrecht, denn wenn man nachts alleine im Cockpit sitzt und irgendwo ein Licht entdeckt, so hat man bereits genügend Stoff um die wildesten Spekulationen anzustellen. Als Erstes fragt man sich natürlich ob es sich bei dem einsamen Licht um einen Seglerkollegen handelt, oder ob es eher einer dieser riesigen Atlantikfrachter ist. Könnte es sich möglicherweise sogar um
das französische Seglerpaar das rund zwei Stunden vor uns in Vila do Porto in Richtung Algarve ausgelaufen ist handeln? Stellt man dann fest das halt doch „nur“ ein Frachter seiner Wege zieht, so bleibt dennoch genügend Raum um über das Woher und Wohin zu spekulieren.
So ging es eines Nachts auch Thomas als er um 03:00 Uhr morgens seine Wache antrat. Ziemlich überrascht musste er feststellen, dass Dschinni gleich von 3 Frachtern umzingelt war. In welche Richtung fahren sie wohl, und wichtiger noch, werden wir gesehen? Da Thomas seinen Augen zu dieser frühen Morgenstunde nicht traute und Gewissheit doch beruhigend ist, startete er sein Notebook und lies sich die AIS Daten (Automatic Identification System) der Frachter anzeigen. Eine hochspannende Sache übrigens, mehr dazu unter
http://de.wikipedia.org/wiki/Automatic_Identification_System.
Mit dem folgenden Link können die Schiffsinformationen auch von jedem PC/Laptop im Internet angesehen werden.
http://www.marinetraffic.com/ais/de/default.aspx. Schnell stellte sich heraus, dass die Schiffe alle auf dem Weg nach Teneriffa waren und für uns kein Problem darstellten. Beim Blick auf die Seekarte war dann auch ersichtlich, dass wir nun den Seeweg Nordspanien/England Richtung Kanarische Inseln kreuzten.
… zum Anfang…
Von der Windfront gab es noch keine grossen Änderungen, abgesehen davon, dass er nun nicht mehr von Westen sondern Süd-Westen kam. Um ja möglichst segeln zu können, rangen wir uns durch und schleppten unseren tollen Blister an Deck um ihn klar zum Hissen zu machen. Und zu unserer grossen Überraschung gelang das Manöver auf Anhieb! Der Spass dauerte leider nur 1 Stunde bis der Wind selbst das leichte Segel nicht mehr füllen konnte. Also erneut den Motor starten und den Blister bergen. Dieses
Manöver gelang dann aber nicht mehr ganz so einfach, denn das blaue Ungeheuer wickelte sich um die Genua und bauschte sich immer wieder unkontrolliert auf was zur Folge hatte, dass der Bergeschlauch nicht mehr runtergezogen werden konnte. Glücklicherweise gelang es Thomas auf dem
schwankenden Vordeck den Schlamassel irgendwie wieder zu entwirren und den Blister zu bergen. In der folgenden Nacht drehte der Wind dann endlich auf Nord. Darauf hatten wir schon lange gewartet, denn für uns bedeutet dies, dass wir uns nun im Einfluss des sogenannten „Portugiesers“ befanden. Dabei handelt es sich um den zuverlässigen Nordwind der um diese Jahreszeit ca. 200-300 sm vor der Küste bläst. Tatsächlich bedeutete
unser Superwind auch noch „Arbeit“ für uns. Unser schön gesicherter Baum musste jetzt von Backbord nach Steuerbord geshiftet werden und auch unser allzeitbereiter Genuaausbaumer musste auf die andere Seite
umgebaut werden. Das wars dann aber auch schon. Nach einem feinen Poulet-Curry an Kokosmilch Sauce mit Reis und Rüebli zum Abendessen ging es dann wieder einmal in die Nacht. Die grössten Aufgaben in diesen
Stunden sind das Eintragen der Position auf der Seekarte, das Logbuch für den Tag abzuschliessen und den neuen Tag zu eröffnen. Neben all den Detailangaben wissen wir zum Beispiel nun, dass wir ein Tagesetmal von
122 sm hatten, also innerhalb von 24 Std. 122 sm vorwärts gekommen sind. Noch weitere 344 sm bis zum Cabo do Sao Vincente stehen uns bevor.
… zum Anfang…
Die Zeit läuft also zuverlässig weiter, auch für Thomas, denn heute feiert er seinen bisher ersten Geburtstag auf hoher See. Danke an all die Geburtstags- SMS und Mails, die ich aber erst 3 Tage verspätet wegen der
relativ schlechten WLAN Abdeckung auf dem Atlantik erhalten habe. Nach einer kleinen Geburtstagsparty bei Pasta mit Cola Light (mehr lag bei der unruhigen See nicht drin) ging die Reise wie gewohnt weiter, immer
schön abwechselnd einmal mit und einmal ohne Wind. Die Nächte zeigten sich ziemlich frisch und eine leichte Fleece Jacke konnte man gut gebrauchen. Am Tag brennt dann allerdings die Sonne ganz kräftig vom Himmel und wir versuchten jeden Schattenflecken auf Dschinni auszunutzen. Gewöhnlich hielten wir darum das gemütliche Mittagsschläfchen meist unter Deck um nicht wie Krebse am Festland anzukommen. Am späten Nachmittag des fünften Tages kam er dann endlich, der oben erwähnte und lange erwartete Nordwind mit der Stärke von Bft. 4. Zum ersten Mal seit Langem störte kein Motorengedröhne beim Schlafen, dafür gurgelte das vorbei strömende Wasser, einfach herrlich! Nach immerhin14 Stunden legte der Wind wieder eine längere Pause ein, doch fast auf die Minute genau wie am Vortag setzte er am späten Nachmittag wieder ein. Wir hofften nun stark, dass die Brise uns bis ins Ziel nach Lagos an der Algarve begleiten würde. Leider ging dem Windgott in der frühen Morgenstunde die Puste aus, und das Meer glättete sich erneut. Dafür meldete sich die Berufsschifffahrt wieder aktiv zurück. Auf allen Seiten waren nun wieder Frachter zu sehen und da wir sonst nicht viel zu tun hatten, spielten wir wieder einmal mit dem AIS System herum.
Vor allem der Tanker „Happy Falcon“ machte uns aber gar nicht happy. Gemäss AIS befinden wir uns mit ihm auf Kollisionskurs und dieses Ereignis sollte in genau 23 Minuten eintreffen. Also korrigieren wir leicht unseren Kurs und beobachten wie das Cargo Schiff vor unserem Bug durchzieht. Kaum hatten wir die Tanker und Cargo Schiffe hinter uns gelassen,
meldeten sich unsere Freunde von der Delfin Fraktion wieder zum Spielen zurück. Als absolute Novität muss unbedingt erwähnt werden, dass es Patrizia zum ersten Mal geschafft hat die in alle Richtungen springenden
Meeressäuger zu fotografieren. Dann um 13:20 Uhr des sechsten Tages war es soweit – „Land in Sicht“. Kompass und GPS haben uns ans Ziel geführt, juhui! Langsam schälte sich das Cabo do Sao Vincente aus der
Dunstwolke heraus und wies uns fortan den Weg. Kaum beim Kap angelangt, drehte der Wind so kräftig auf, dass wir annahmen er entschuldige sich für die nicht gerade guten Segelbedingungen während den vergangenen 780 sm. Ausserdem wehte uns ein himmlischer intensiver Geruch von Rosmarin entgegen. Jetzt ging es aber rassig mit oft über 7 kn unserem Ziel entgegen. Störend waren nur die unzähligen Fischerfähnchen die uns auf ausgelegte Netze aufmerksam machten. Anfänglich wichen wir ihnen geschickt aus, doch als sich uns das Muster der farbigen Fähnchen nicht mehr klar war und wir weder Anfang noch Ende der Netze ausmachen
konnten, hiess es einfach Augen zu und durch.
Zum Glück sind uns diese Manöver ohne Schäden gelungen. Vor lauter Konzentration auf die Fähnchen hatten wir gar nicht bemerkt, dass uns von hinten ein anderer Segler immer näherkam. Wieso läuft der mind. 1 kn schneller als wir? Und das noch bei gerefftem Grossegel und schlecht getrimmter Genua? Wir konnten machen was wir wollten, der Holländer war einfach erheblich schneller und überholte uns kurz vor der Hafeneinfahrt. Am Empfangssteg hat ihn Thomas wieder getroffen, und er wurde mit einem sympathischen „Grüzzi“ mit starkem holländischem Akzent begrüsst. Thomas gratulierte ihm zu seinem schnellen Schiff, doch der Holländer lächelte verschmitzt und machte dabei eine eindeutige Handbewegung um anzudeuten, dass er neben dem Wind auch noch Unterstützung vom Motor hatte. Also alles Bschiss! Wenige Minuten später, kurz bevor es dunkel wurde, machten wir an unserem zugewiesenen Liegeplatz fest.
Nach 808 sm und rund 6.5 Tagen hatten wir endlich wieder festen Boden unter den Füssen. Wir genehmigten uns noch ein spätes Abendessen und legten uns müde in die Koje, mit dem Wissen wieder einmal länger als drei Stunden am Stück schlafen zu können. Gut ausgeschlafen kümmerten wir uns am kommenden Morgen um allgemeine Aufräum- und Putzarbeiten und schlossen uns anschliessend den anderen Touristen an, die tagsüber durch die Marina strömten. Wir kannten die Marina ja bereits vom letzten Jahr. Doch nun, unmittelbar nach den ruhigen beschaulichen Azoren kamen wir uns hier wie auf einem anderen Planeten vor. Das Geschehen wird stark vom englischen Pauschaltouristengeprägt und die Geräuschkulisse war für die ruhegewohnte Dschinni Crew erst noch gewohnheitsbedürftig. Beim fest eingeführten Sundowner im Cockpit liessen wir am Abend die vergangenen Tage Revue passieren. Wir dachten aber auch 10 Monate zurück als wir uns ebenfalls hier in Lagos bereit machten um die Überfahrt nach Madeira anzutreten. Der Kreis ist nun geschlossen, der Nordatlantik (fast) umrundet, Zeit also um sich Gedanken darüber zu machen wo die nächsten Ziele liegen könnten.
… zum Anfang…
Als Erstes wollten wir das portugiesische Hinterland erforschen. Mit einem Mietwagen fuhren wir in das wenig bekannte Alto Alentejo nach Evora. Die Museumsstadt soll von einer Ringmauer aus dem 14. Jahrhundert umgeben sein, und es sollen sich dort auch noch Tempel aus der Römerzeit befinden. Dies wohl alles ein Grund warum Evora zum UNESCO Weltkulturerbe gehört. Die rund 250 km lange Fahrt quer durch die Estremadura zog sich dann doch ziemlich in die Länge. Trockene und abgeerntete Felder nur durch einzelne, manchmal in Gruppen stehende Bäume durchsetzt. Die Häuser der wenigen Ortschaften die an der Strasse lagen, waren weiss getüncht und manchmal thronte eine dunkle Burg oberhalb der Stadt. In Evora angekommen,
schlenderten wir durch die kühlen schattigen Gassen und bewunderten den Mix zwischen den Herrschaftshäusern und den alten Kirchen. Gemächlich präsentierte sich das Leben in der Stadt, und hätten wir nicht ein paar wenige Touristen auf den Plätzen oder Gassen angetroffen, wäre der Ort fast ausgestorben gewesen. Von der alten Stadtmauer blickten wir hinaus in die Weite des Alentejo, auch in die Richtung unseres nächsten Fahrzieles, den Grenzfluss zu Spanien, den Guadiana. Bald darauf brausten wir in südöstlicher Richtung davon und erreichten via Mertola das kleine Städtchen Alcoutim. Der Guadiana ist bis Alcoutim auch mit dem Segelboot befahrbar, doch wir entschieden uns gegen dieses Unterfangen. Einerseits aus zeitlichen Gründen, andererseits weil die Temperaturen im Landesinnern doch beträchtlich höher waren als an der Küste wo immer eine kühle Atlantikbrise für ein angenehmes Klima sorgte. Ja es war wirklich sehr heiss als wir aus unserem klimatisierten Fiat ausstiegen und uns die paar Schritte bis an den Anlegesteg von Alcoutim bewegten.
Hier lagen tatsächlich auch einige Boote am Steg oder vor Anker, viel Betrieb konnten wir aber nicht ausmachen. Offenbar warteten alle den Abend ab um aus ihren schattigen Plätzchen hervor zu kriechen. Diese Strategie erschien uns sehr vernünftig, aber als die Touristen die wir nun mal sind, liessen wir uns nichts anmerken und stiegen tapfer zum Kastell hinauf. Von hier wurden wir für die Mühen mit einer super Rundumsicht auf den Fluss, das Hinterland und auf das gegenüberliegende spanische Ufer belohnt. Nach der wohlverdienten Glace im schattigen Café mit Blick auf den idyllischen Fluss, fuhren wir über die karge Landschaft zurück nach Lagos wo wir gerade rechtzeitig zum Sonnenuntergang eintrafen.
Am kommenden Tag segelten wir mit Schwachwind in die allgemeine Richtung Gibraltar. Unsere erste Etappe auf der 150 sm langen Reise führte uns allerdings nur gerade über die Flussmündung des Rio Andrade, nach Portimao. Wir wollten eigentlich wieder einmal friedlich vor Ankerliegen.
Leider wurde uns die Ruhe aber nicht vergönnt, denn kaum angekommen, brausten die ersten Jetskies rücksichtslos quer durch das Ankerfeld. Dies nervte uns gehörig, kein Wunder also wird man zum Feind aller stark motorisierten Wasserfahrzeuge. Als diese Störenfriede endlich Ruhe gaben und abzogen, wurde wie auf ein Stichwort die Musik an Land aktiviert.
Was anfänglich als angenehme Hintergrundmusik begann, wurde ab Mitternacht bis ca. 4 Uhr am Morgen zur lautstarken Disco- oder wie man heute sagt: Club-Beschallung. Obwohl das Geplärre wenigstens grösstenteils unseren Musikgeschmack traf, war natürlich an Schlaf schwer zu denken. Ach wie sehnten wir uns zurück nach den ruhigen und beschaulichen Azoren… Noch einen Tag mit Jetski und Disco wäre zu viel für uns gewesen und so zogen wir weiter um die Ruhe in der Lagune von Faro und Olhao zu suchen. Als wir am späten Nachmittag gerade rechtzeitig zu einlaufender Flut eintrafen, herrschte aber auch hier ziemlich Betrieb, doch am Abend wurde es zur grossen Erleichterung ruhig. Einzig das Licht des Leuchtturms drehte seine Runde und beleuchtete die wenigen Segelboote die hier im Tidenstrom vor Anker lagen. Zur Ankunftszeit liessen wir den Anker übrigens auf 8 m fallen, es herrschte gerade Hochwasser. Mit Spannung konnten wir dann im Laufe der kommenden 6 Stunden
beobachten wie die Wassertiefe abnahm. Zur Ebbe lag unser Anker gerade noch in 4.9 Metern Tiefe und wir hatten uns natürlich mit dem Strom gedreht. Die Anfängliche Unsicherheit über den Halt des Ankers in der
wechselnden starken Strömung war unbegründet wie sich herausstellte.
Am nächsten Vormittag präsentierte sich uns ein völlig anderes Landschaftsbild; es herrschte wieder Ebbe. Diese Gelegenheit nutzen wir sogleich, um mit unserem extra aufgepumpten Dinghi einen Ausflug ins
„Wattenmeer“ zu machen. Wir mussten dabei allerdings immer ein Auge auf das an Land gezogene Böötli haben, denn das nun einlaufende Wasser flutete die Landstücke rasend schnell. Dieser Ausflug hat sich aber auf
jeden Fall sehr gelohnt. Unser nächstes Ziel für die Weiterfahrt sollte dann bereits in Spanien liegen. Wir planten mittels Nachtschlag direkt bis nach Barbate zu segeln, und studierten darum ausführlich die Wetterlage. Die Hoffnung auf einigermassen gute Bedingungen um quer durch den Golf von Cadiz und hinunter nach Gibraltar zu gelangen, war aber leider nicht gross. Wir konnten es drehen und wenden wie wir wollten, Wind war auf Tage hinaus nicht in Sicht. Ob der über die Azoren hinweg brausende Hurrikan Gordon dabei einen Einfluss hatte? Unsere Seglerfreunde Sibylle und Markus befinden sich noch im Azorenarchipel, konnten sich aber rechtzeitig aus der Zugbahn in Sicherheit bringen. Wir waren sehr erleichtert zu hören dass der Despina Crew der Sturm nichts anhaben konnte, und auch dass die restliche Seglergemeinde mit einem blauen Auge davongekommen ist. Wir wollten auf jeden Fall nicht viele Tage abwarten bis sich am Festland Wind aufbaute,
und darum bissen wir erneut in den sauren (Motoren) Apfel. Abgesehen von einem kurzen Intermezzo blieben die Segel dann auch tatsächlich während der ruhigen Nachtfahrt unten.
… zum Anfang…
Dafür stieg natürlich der Dieselverbrauch erheblich, was uns zum Tankstopp am entsprechenden Steg in Barbate führte. Vom zugewiesenen Anlegeplatz erhofften wir uns eine angenehme Nacht damit wir am kommenden Tag ausgeruht in die berühmt berüchtigte Strasse von Gibraltar aufbrechen können. Nichts war damit. Tagsüber war die Marina total ausgestorben, und die Definition dazu im Revierführer -“Very useful, if rather soulless“ brachte es ziemlich auf den Punkt. Doch so nach 22:00 Uhr fand der Jungendtreff von Barbate oberhalb unseres Liegeplatzes statt. Lautstarke spanische
Unterhaltung mit abwechselnder Musik aus überdimensionierten Autoboxen. Kaum wurde die Jungmannschaft müde, wurden die älteren Semester schon wieder aktiv und diskutierten in gewohnt spanischer Art und Weise (laut und schnell) über das neuste Geschehen bis spät in die Nacht hinein. Ein kräftiges Frühstück mit starkem Nespresso Kaffee (die Imitate hier in Spanien sind gar nicht übel) war darum am Morgen bitter nötig um die Dschinni Crew wieder auf Touren zu bringen. Langsam mussten wir uns auch sputen um aus dem Hafen zu kommen um den berechneten Zeitplan mit Hoch/Niedrigwasser für die Strasse von Gibraltar richtig zu treffen.
Von Barbate bis Tarifa, dem Eingang der Strasse ins Mittelmeer, sind 20 sm zu bewältigen. Uns war klar dass wir gegen einen Levante (Ostwind) ankämpfen mussten, doch mit den vorhergesagten Windstärken 2-3 mit
Böen von 4 wäre dies trotz anfänglicher Gegenströmung mit gut 3 Knoten gut zu bewältigen. Nun, der Wind fing an zu blasen kaum hatten wir den Hafen verlassen, und wie angedroht kam er zuverlässig genau von vorn. Den Gedanken aufzukreuzen verwarfen wir sehr bald, da sich das Lüftchen rasch und konstant zu einer Windstärke 6 bis 7 entwickelte und wir den starken Tidenstrom sowieso für die nächsten 3 Stunden gegen uns hatten (Nein, zum Thema „Meteorologen und ihre Vorhersagen“ will Patrizia sich hier nicht
mehr äussern!). Also bolzten wir gnadenlos gegen sämtliche Naturgewalten an. Alle die nun denken: wieso warten die nicht einfach bis der Poniente (Westwind) weht und flutschen da einfach so durch? Denen sei gesagt, dass selbst auf unsere 8 Tage Voraussicht nicht die geringste Chance auf diesen Wind bestand. Die Aussicht auf 1 Woche Barbate schien uns nicht wirklich verlockend, somit also das Beste daraus machen, und Augen zu und durch. Einen Vorteil hatte das Ganze: wir konnten wieder einmal feststellen wie stabil so eine Segelyacht tatsächlich ist. Dschinni schoss manchmal im 45 Grad Winkel gen Himmel und donnerte anschliessend ins nächste Wellental wie in eine Betonwand. Aber alles hat wunderbar gehalten, keine Schäden an Boot, Geschirr, Crew, einzig die ein wenig improvisierte Dinghi Befestigung auf dem Vordeck musste spontan und eiligst angepasst werden, da sich das gute Teil sonst fliegend verabschiedet hätte.
Ja wirklich, die Bedingungen waren echt zum Abgewöhnen doch langsam, ganz langsam kämpften wir uns nach Tarifa vor. Nach 6 Stunden Leiden, und kaum hatten wir den dortigen Hafen passiert, geschahen unmittelbar drei Dinge: der Strom schob uns nun in Richtung Gibraltar (Beschleunigung von 2.5 kn auf 8 kn !!!), die Wellen wurden immer weniger und kleiner, und der Wind nahm viertelstündlich eine Windstärke ab. Als wir in der Bucht von Gibraltar ankamen, trafen wir spiegelglattes Wasser und keinen Luftzug mehr an. Dafür machte sich langsam aber sicher der berüchtigte Nebel bemerkbar. Dies war gerade das Letzte was wir brauchen konnten, denn die Berufsschifffahrt ist hier schon sehr aktiv und die Dämmerung setzte gerade ein. Unser AIS System zeigte uns etwa 110 Schiffe an, und mindestens mit fünfen befanden wir uns auf Kollisionskurs. Allen “Gegnern“, inklusive zwei Walen die sich in etwa 200 Metern von Dschinni entfernt tummelten, wichen wir geschickt aus. Kaum waren die Wale vorbeigezogen, kreuzten wir eine
riesige Delfinschule. Warum sich diese Tiere hier in der stark befahrenen und nicht gerade von super Wasserqualität geprägten Stelle aufhalten, ist uns ein Rätsel. Ob die starke Strömung einen Einfluss hat?. Nun wurde der Nebel immer dichter, die Sonne ging unter und wir näherten uns den unzähligen vor Reede liegenden Ozeanriesen. Dank dem Radar konnten wir uns geschickt
zwischen all den geisterhaften Pötten durchschlängeln und anschliessend den direkten Kurs in Richtung Almunecar absetzten.
Uns erwartete eine stockdunkle Nacht, Nebel und daher eine Feuchtigkeit die es einem nicht gerade motivierte im Cockpit sitzend in die Nacht hinaus zu schauen. Ausser ein paar Fischern die hier ihre Seglerfallen in Form von Netzen ausbrachten oder einholten, passierte in den folgenden Stunden auch nicht viel. Als sich im Morgengrauen das Tageslicht langsam bemerkbar machte, erwartete uns aber nicht die bekannte spanische Sonne, sondern eher eine graue Suppe die man irgendwo weit oben im Norden erwarten würde.
… zum Anfang…
Einzig die Temperatur war angenehm, aber ansonsten zeigte sich alles in grau. Das Wasser war grau, der Nebel war grau, der Himmel war grau und der Wind war nicht grau sondern ein absoluter Versager. Also los, schauen wir doch mal was das Wetter für die nächsten Tage für uns bereithält. Vielleicht besteht doch noch Hoffnung für die Seegebiete Alboran und Palos. Hm…das Ergebnis war leider ernüchternd: Windstärke 0-2 aus allen nur erdenklichen Richtungen. Somit beschlossen wir kurzerhand mögliche
Zwischenstopps auszulassen und den Kurs direkt nach Cartagena anzulegen. Dies bescherte uns 50 Stunden (2 Nächte) Motorbootfahrt bis zur Ankunft in der unübersichtlichen Marina. Muss man extra erwähnen dass der Wind ein einziges Mal während dieser Reise und rechtzeitig zum Anlegemanöver auf 16 Knoten anstieg??? Dass er wenig später wieder einschlief versteht sich ja wohl von selbst.
Nun haben wir also den Atlantik hinter uns gelassen und wir befinden uns wieder im Mittelmeer. Von den Azoren bis zur alten Römerstadt Cartagena blicken wir auf 1222 sm zurück. Wir wollen diese spannende Stadt die südlich des Mar Menor liegt, noch ein paar Tage geniessen. Bei deiner Lektüre dieses Berichtes sind wir aber wohl schon wieder unterwegs in Richtung Balearen. Was wir auf Eivissa (Ibiza), Mallorca, Menorca und
am katalanischen Festland noch alles erleben, werden wir dir im zehnten und wohl vorerst letzten Bericht dieser Reise erzählen.
Hasta la proxima
Patrizia + Thomas
… zum Anfang…